Die Corona-Soforthilfe und deren zwangsvollstreckungs- und insolvenzrechtlichen Folgen
Vorbemerkungen
Selbst vor der Insolvenzverwaltung macht das COVID-19 Virus nicht halt, sondern stellt auch diese vor bis dahin unbekannte Herausforderungen. Dieser Beitrag beleuchtet die Corona-bedingte Soforthilfe für Selbständige und Freiberufler unter dem Blickpunkt der sich daraus ergebenden insolvenzrechtlichen Folgeerscheinungen. Dadurch wird die Auseinandersetzung mit der Frage erlaubt, ob und inwieweit sich im Einzelfall Handlungsbedarf für Insolvenzverwalter ergibt, wenn ein Schuldner eine solche Leistung beansprucht hat. Ziel dieses Aufsatzes ist es einen Beitrag zur Lösungsfindung zu leisten.
Die Soforthilfe für Selbständige und Freiberufler
1. Grundsätzliches zur Soforthilfe
Sinn und Zweck der Soforthilfe ist es Selbständige, Kleinstunternehmer und Freiberufler während der Corona-Pandemie vor der Insolvenz zu bewahren. Sie soll deren wirtschaftliche Existenz sichern und bei der Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen, welche durch die Pandemie bedingt sind, abhelfen. Unterstützt werden Unternehmen und Selbständige mit bis zu fünf Beschäftigten mittels einer Einmalzahlung von bis zu 9.000 Euro für drei Monate.
Selbständige und Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten hingegen mittels einer Einmalzahlung von bis zu 15.000 Euro für frei Monate. Nach Angaben der Bundesregierung sind die Leistungen nicht zurück zu zahlen. Die Gewährung erfolgt ohne bestimmte gesetzliche Grundlage und ohne Rechtsanspruch auf diese. Die Mittelverwendung ist länderspezifisch zum Teil unterschiedlich geregelt. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Verwendung für die Deckung von Lebenshaltungskosten, welche zum Teil – so auch für Niedersachsen – ausgeschlossen sind.
2. Vollstreckungsrechtliche Folgeerscheinungen der Soforthilfe
a) Das Vollstreckungsobjekt
Voraussetzung für die Vollstreckung ist, dass ein taugliches Vollstreckungsobjekt vorliegt. Allerdings besteht auf die Soforthilfe schon gar kein Rechtsanspruch. Daher besteht zumindest in diesem Stadium kein Anspruch des antragstellenden Betroffenen und somit auch kein Vollstreckungsobjekt. Somit existiert also bis zu diesem Zeitpunkt kein Vermögenswert, an welchem der Insolvenzbeschlag begründet werden könnte.
Erst, wenn die Soforthilfe durch Bescheid der zuständigen Behörden bewilligt wird, entfaltet dieser Bindungswirkung inter partes. Nach Erlass des Bescheids ist sodann ein Anspruch des Schuldners auf Zahlung der Soforthilfe begründet. Dieser Anspruch kann dann Vollstreckungsobjekt sein und ist daher im Insolvenzverfahren vom Insolvenzbeschlag erfasst.
b) Pfändungsschutz bei der Soforthilfe?
Nun ist es denkbar, dass ein Freiberufler oder ein Selbständiger, nachdem er bereits die Soforthilfe in Anspruch genommen hat, Insolvenz anmelden muss. In diesem Fall wird die Frage bei diesem aufkommen, ob die gezahlte Soforthilfe dem Pfändungsschutz unterliegt. Im Falle einer Pfändung wird ein Kontoguthaben nämlich nur auf dem P-Konto geschützt. Dieses schützt Kontoguthaben vor dem Zugriff der Gläubiger, so dass der Kontoinhaber innerhalb eines bestimmten Freibetrages darüber verfügen kann.
Mit der Frage, ob die Soforthilfe auch diesem Pfändungsschutz unterfällt, hat sich das LG Köln mit seiner Entscheidung vom 23.04.2020 beschäftigt.
Regelmäßig unterfallen Sozialleistungen nicht der Einkommensteuerpflicht. Die Corona-Soforthilfe ist einkommenssteuerrechtlich als Einkommen zu behandeln, was bereits eine Gleichsetzung dieser mit Sozialleistungen ausschließt. Aus sozialrechtlichen Normen (z.B. § 42 SGB II) lässt sich daher kein Pfändungsschutz herleiten.
Denkbar wäre es § 850i ZPO heranzuziehen, da es sich bei der Soforthilfe um eine solche Einmalzahlung handelt. Nach diesem ist dem Schuldner auf Antrag während eines angemessenen Zeitraums so viel zu belassen, als ihm nach freier Schätzung des Gerichts verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus einem laufenden Arbeits- oder Dienstlohn bestünde. Allerdings erfasst § 850i ZPO nur Einkünfte die eigenständig erwirtschaftet wurden. Gerade dies ist aber bei der Soforthilfe nicht der Fall, weshalb auch aus dieser Norm kein Pfändungsschutz hergeleitet werden kann.
Denkbar ist, dass die Unpfändbarkeit aus § 851 ZPO ergibt. Danach sind Forderungen, die nicht übertragbar sind, nicht pfändbar. Unübertragbar ist eine Forderung, wenn ein Gläubigerwechsel den Inhalt der Leistung ändern würde. Vollstreckungsrechtlich kann bei der Corona-Soforthilfe wohl von einer Zweckbindung ausgegangen werden, denn so wies auch der von dem LG Köln vorliegende Bewilligungsbescheid zur Soforthilfe einen Passus zur Zweckbindung aus: „Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen (..) im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie als Einmalzahlung für drei Monate. Nicht erfasst sind vor dem 1.3.2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Lieferengpässe.“
c) Zweckbindung als Pfändungshindernis
Bei der Soforthilfe ist daher eine Zweckbindung als Pfändungshindernis anzunehmen, da der Zugriff der Gläubiger mit dem zum Rechtsinhalt gehörenden Anspruchszweck unvereinbar wäre. Folglich ist die Soforthilfe unpfändbar, sofern im Bescheid festgesetzt wird, dass diese nur für bestimmte Zwecke verwendet werden soll. Dieses Ergebnis ist auch zu befürworten, da eine andere Art der Existenzsicherung des Unternehmens im Falle des Corona-bedingten Verbots der Ausübung der Betriebstätigkeit nicht gewährt werden kann. Es erscheint Sachgerecht, den Schuldner wegen seiner privaten Lebenshaltungskosten auf sozialrechtliche Leistungen zu verweisen, da diese Form der Existenzsicherung etabliert ist.
Liegt hingegen keine Zweckbindung vor, was wegen der bundeslandspezifischen Regelungen zum Teil durchaus der Fall sein kann, ist die Soforthilfe pfändbar. Dies erscheint ebenfalls sachgerecht, da der Schuldner ohne Vorliegen einer Zweckbindung frei über die Verwendung der Mittel entscheiden kann und diese daher wahrscheinlich auch auf die laufenden privaten Lebenshaltungskosten verwenden wird. Es wäre nicht nachvollziehbar dem Schuldner diese Mittel sodann als pfändbar zu entziehen, um diese als Vollstreckungsobjekt zur Befriedigung der Altgläubiger anzusehen. Die Gläubigerbefriedigung ginge unter dieser Annahme zu Lasten der Allgemeinheit und es bedürfte gar nicht erst den §§ 850 ff ZPO.
Fazit
Es hat sich gezeigt, dass die Corona-Pandemie auch insolvenzrechtliche Auswirkungen hat. Sowohl Insolvenzverwalter, als auch andere anspruchsberechtigte (Alt-)Gläubiger werden dadurch vor neue Herausforderungen gestellt. In den allermeisten Fällen wird bei der Soforthilfe allerdings wegen deren Zweckbindung ein Pfändungsschutz bestehen.
Die Rechtslage ist kompliziert. Weitere gerichtliche Entscheidungen werden möglicherweise andere Auffassungen vertreten. Die Entscheidung des LG Köln erscheint aber aus meiner Sicht richtig.
Haben Sie Fragen zu diesem Themenkreis? Sie erreichen mich unter
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Ihr
Hendrik A. Könemann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Insolvenzrecht
Insolvenzverwalter